Gewissen
Über das Gewissen gibt es die unterschiedlichsten Ansichten, Meinungen oder Theorien.
Viele stellen sich unter Gewissen eine spezielle Instanz des menschlichen Bewusstseins vor, die einen dazu drängen, wenn nicht sogar zwingen soll, aus ethischen bzw. moralischen Gründen bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen. Entscheidungen können dabei als unausweichlich empfunden werden oder mehr oder weniger bewusst, also im Wissen um ihre Voraussetzungen und denkbaren Folgen, vorgenommen werden (Verantwortung).
Handelt ein Mensch entsprechend seinem Gewissen, ist er oder fühlt er sich gut und zufrieden und gibt üblicherweise an, ein gutes oder reines Gewissen zu haben oder zu besitzen; handelt er indessen entgegen seinem Wissen und Gewissen, so fühlt er sich von dieser vermeintlichen Bewusstseinsinstanz vielleicht angeklagt oder gar verfolgt oder unter Druck gesetzt. Andere verspüren eher ein nagendes Gewissen, und wieder andere fühlen sich von Gewissensbissen geplagt oder geradezu gepeinigt.
Ersichtlich handelt es sich bei diesen geläufigen Redeweisen um alltagssprachliche Redewendungen, die über die realen Zusammenhänge kaum etwas aussagen, zumal sie teilweise deutlich metaphorischer Art sind und daher nicht wörtlich verstanden werden dürfen. Auch von anderen Voraussetzungen ausgehende Ansichten und Vorstellungen, Meinungen und Theorien von Natur und Herkunft des Gewissens scheinen kaum geeignet, etwas zur Aufklärung der psychologischen Eigenart des Gewissens beizutragen.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Definition des Gewissens
2 Unterordnung und Gehorsam
3 Gewissensgründe
4 Spezifische Sichtweisen
4.1 Dialektischer Materialismus
4.2 Freud'sche Psychologie
4.3 Logotherapie
4.4 Das Gewissen im Christentum
5 Weblink
Definition des Gewissens
Das Bewusstsein des Menschen um Gut und Böse, dessen Anlage dem Menschen je nach persönlicher Weltanschauung von Gott bzw. der Natur geschenkt wurde in Kombination mit dem inneren Antrieb, diesem Wissen entsprechend zu handeln.
Unterordnung und Gehorsam
Stanley Milgram untersuchte in seinen sozialpsychologischen Experimenten der 60er Jahre (s. Milgram-Experiment) die Gehorsamsbereitschaft unter verschiedenen Bedingungen. Dabei wies er in Wirklichkeit experimentell nach, wie das Gewissen je nach Versuchsanordnung ganz unterschiedlich reagiert.
Gewissensgründe
Der bundesdeutsche Gesetzgeber geht von der Existenz des Gewissens aus, zum Beispiel dadurch, dass er die Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus „Gewissensgründen“ ermöglicht (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, GG Artikel 4, Punkt 3).
Spezifische Sichtweisen
Dialektischer Materialismus
Nach dem Dialektischen Materialismus (Marx) spiegelt das Gewissen den wandelbaren Gesellschaftszustand, welcher sich aus wechselnden materiellen Produktionsverhältnissen erkläre, wider. Da die Materie, die einzige Wirklichkeit, sich ständig verändere, gelte keine sittliche Wahrheit absolut.
Viele Nichtmarxisten sehen in dieser Denkweise eine Mitursache für die Verbrechen, die im Namen des Kommunismus begangen wurden.
Freud'sche Psychologie
Die Psychologie nach Sigmund Freud beruht auf der Unterscheidung der drei Instanzen Es, Ich und Über-Ich. Seiner Vorstellung nach wird das unbewusst-triebhafte Es in seinen Äußerungen durch das Über-Ich hemmend kontrolliert. Dabei wird das Über-Ich verstanden als Introjekt der elterlichen und gesellschaftlichen Autorität, wodurch sich das Gewissen herausbildet. Es veranlasst das Kind, gesellschaftlich übliche oder erwartete Verhaltensweisen und Erwartungen einzuhalten. Das reife Ich, die individuelle Persönlichkeit mit ihren aus Erfahrung gewonnenen bewussten Wertsetzungen, bildet sich in der Auseinandersetzung des Menschen mit seiner gesellschaftlichen Umwelt und durch Überwindung der Anforderungen des Über-Ich.
Logotherapie
Diese sinnzentrierte Therapie nach Viktor Frankl, Elisabeth Lukas... sieht das Gewissen als "Sinnorgan", das in jeder Lebenslage größtmöglichen Sinn finden soll. Logos hat entsprechende Übersetzungs-Möglichkeiten, auch: Weg, Tao... Ein Logotherapeut hilft, jeweils grösstmöglichen Sinn in schwierigen Lagen zu eruieren. Auch viele Fallbeispiele in logotherapeutischen Büchern dienen als Bibliotherapie und unterstützen - jeder ist sein eigener Logotherapeut und kein Einzelfall.
Das Gewissen im Christentum
Das Alte Testament kennt das Herz als Ausgangspunkt guter wie böser Taten, allerdings ist nirgends die Rede von einer kritischen Instanz im Geist oder in der Seele des Menschen. Erst Paulus hat den Begriff Gewissen in die christliche Theologie eingeführt. Ihm zufolge ist das Gewissen keine Instanz, die eigene ethische Maßstäbe setzt, sondern Wissen um das eigene Verhalten angesichts der für dieses Verhalten bestehenden Forderung (siehe Römerbrief 2,14 (Wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, sich trotzdem an das Gesetz halten, sind sie selbst das Gesetz usw.); 1. Korintherbrief 8,7-13 und 10,25-30). Johannes nimmt in seinem 1. Brief Bezug auf das Gewissen, auch wenn er das Wort Herz benutzt. 1. Joh. 3:19 - 21 "Hieran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und wir werden vor ihm unser Herz überzeugen: wenn unser Herz (uns) nicht beschuldigt, ist Gott größer als unser Herz und kennt alle Dinge. Geliebte, wenn unser Herz (uns) nicht beschuldigt, haben wir Freimut zu Gott,..." Eigentlich beschuldigt (verurteilt) uns unser Gewissen, das nicht nur ein Teil unseres Geistes, sondern auch unseres Herzens ist. Das Gewissen in unserem Herzen vertritt Gottes Herrschaft in uns. Wenn uns unser Gewissen verurteilt, dann wird uns gewiß auch Gott verurteilen, der größer ist als sein Stellvertreter und alle Dinge weiß. Wenn wir uns solcher Verdammnis in unserem Gewissen bewußt sind, so ist dies für uns eine Warnung, daß unsere Gemeinschaft mit Gott gestört zu werden droht. Wenn wir darauf acht haben, wird es uns eine Hilfe sein, unsere Gemeinschaft mit Gott aufrechtzuerhalten und im Herrn zu wohnen und zu bleiben.